Die Lobbyisten hinter der Antwort der EU auf die Migration

Dank eines massiven Ressourceneinsatzes wird eine „Festung Europa“ gebaut. Wie ein neuer Bericht des Corporate Europe Observatory (CEO) zeigt, orientiert sich die europäische Grenzschutzagentur Frontex eher an Unternehmensinteressen als Menschenrechten.

Published On: März 1st, 2021
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Die Lobbyisten hinter der Antwort der EU auf die Migration

Dank eines massiven Ressourceneinsatzes wird eine „Festung Europa“ gebaut. Wie ein neuer Bericht des Corporate Europe Observatory (CEO) zeigt, orientiert sich die europäische Grenzschutzagentur Frontex eher an Unternehmensinteressen als Menschenrechten.

Photo: mw238/Flickr  (CC BY-SA 2.0)

Das letzte Jahr war kein gutes für Frontex. Die Nachrichten waren voll mit Meldungen über Misshandlungen von Migranten und Flüchtlingen (siehe unten). Nun ermittelt OLAF, die Antikorruptionsbehörde der EU, gegen die Organisation.

„Doch der sich seit Jahren hinter verschlossenen Türen zusammenbrauende Skandal rund um die engen Beziehung zwischen Frontex und der Rüstungs- und Überwachungsindustrie hat weniger Aufmerksamkeit erhalten“, schreiben Myriam Douo, Luisa Izuzquiza und Margarida Silva im Bericht des „Corporate Europe Observatory“ (CEO).

Über Anfragen im Rahmen der Auskunftspflicht erhielten sie Einsicht in 130 Dokumente, was ihnen erlaubte, „mindestens 17 von Frontex zwischen 2017 bis 2019 einberufene Industrie-Meetings zu identifizieren“. Alles begann mit viel Geld.

Frontex erhielt 2020 ein Budget von 5,6 Milliarden Euro – das größte aller EU-Agenturen. Es folgten 10.000 Grenzposten, zusammen mit einer Ausweitung des Mandats und der Berechtigung, eigene Ausrüstung – wie Schiffe, Drohnen und Radargeräte – zu erwerben oder zu leasen.

„Hier geht ein Traum in Erfüllung, nicht nur für Frontex, sondern auch für die Sicherheitsindustrie. Die Aussicht auf einen neuen, großen Kunden witternd, wirbt sie seit 2010 für einen EU-weiten Grenzschutz mit genau diesen Kompetenzen.“

In den letzten Jahren hatte die Agentur Treffen mit 138 privaten Institutionen: 108 Firmen, 10 Forschungszentren oder Think Tanks, 15 Universitäten und nur einer NGO (ID4Africa). Die Geschäftsbeziehungen zu den europäischen Rüstungsunternehmen Airbus und Leonardo waren am engsten, gefolgt von Technologieunternehmen (NEC aus Japan, Atos, IDEMIA, Jenetric, secunet, und Vision-Box).

Das beratende Forum für Menschenrechte (von Frontex selbst eingerichtet) wurde nicht einmal angehört. Es waren die Lobbyisten der Sicherheitsindustrie, die letztendlich den Ansatz der Agentur geprägt haben.

Sie sprachen vor allem über Waffen, Biometrie, Luft- und Wasserüberwachungssysteme, Herzschlag-Detektoren und Systemen zur Überprüfung von Dokumenten. Migration wurde als “Gefahr dargestellt und oft mit Terrorismus und Kriminalität in Zusammenhang gebracht“.

Doch es gibt wenig Transparenz. Als Frontex von „CEO“ befragt wurde, wie es mit Lobbyisten umgehe, teilte das Pressebüro mit, dass “Frontex sich nicht mit Lobbyisten trifft“ und dass es „bei den Lobbyisten kein Interesse findet“. Auch auf Nachbohren hin leugnete Frontex, sich mit Lobbyisten getroffen zu haben, außer an „Industrietagen“.

Migranten sind das eigentliche, unausgesprochene Problem. „Das, was bei fast allen diesen Diskussionen ausgelassen wird, sind die möglichen Auswirkungen, die diese Technologien und diese Produkte auf die Menschenrechte haben. Dazu zählt die Untergrabung des Grundrechts auf Privatsphäre, der Unschuldsvermutung und der Freiheit.“

Menschenrechtsorganisationen hatten praktisch keinen Zugang zur Agentur, was besonders im Kontext der zukünftigen Grenz- und Migrationspolitik der EU beunruhigend ist. „Angesichts der wachsenden Macht und des steigenden Budgets von Frontex ist laut CEO zu erwarten, dass die Beziehungen zwischen der Agentur und der Industrie nur noch intensiver werden. „Entsprechend strenger sollten sie überprüft werden“, fügt CEO hinzu.

MdEPs werden Frontex auf rechtswidrige Pushbacks überprüfen

Das Europäische Parlament hat eine Überprüfung zu Vorwürfen von Belästigung, Fehlverhalten und rechtswidrigen Operationen von Frontex eingeleitet, die darauf abzielten, Migranten daran zu hindern, die EU-Küste über griechische Gewässer zu erreichen.

Am 24. Februar haben MdEPs eine neue Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Robert Metsola (EVP, Malta) gebildet. Sie heißt offiziell „Frontex Scrutiny Working Group“ (FSWG) und soll „alle Aspekte der Arbeitsweise der Grenzagentur überwachen – einschließlich der Einhaltung von Grundrechten.“ Die Abgeordneten werden in den nächsten vier Monaten persönlich eine Untersuchung durchführen, um Beweismaterial zu sammeln und herauszufinden, ob Verstöße stattgefunden haben und ob die Agentur darin involviert war.

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