Die Nicht-Beschäftigung: Ein weiterer Indikator für den Arbeitsmarkt

Die allgemein berechnete Arbeitslosenquote vermittelt ein unvollständiges Bild der Situation auf dem Arbeitsmarkt, und erschwert Vergleiche zwischen den Ländern. Um ein genaueres Bild zu erhalten, muss die Nichtbeschäftigungsquote berücksichtigt werden.

Published On: März 20th, 2018
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Die Nicht-Beschäftigung: Ein weiterer Indikator für den Arbeitsmarkt

Die allgemein berechnete Arbeitslosenquote vermittelt ein unvollständiges Bild der Situation auf dem Arbeitsmarkt, und erschwert Vergleiche zwischen den Ländern. Um ein genaueres Bild zu erhalten, muss die Nichtbeschäftigungsquote berücksichtigt werden.

Anhand der Arbeitslosenquote ist es nicht möglich, sich ein genaues Bild der Lage auf dem Arbeitsmarkt zu machen. Darüber hinaus ist es meist unmöglich, diesen Indikator mit einem anderen Land zu vergleichen, zumal die institutionellen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich sind. Laut der Definition des Internationalen Arbeitsamtes ist ein Arbeitsloser faktisch eine Person im erwerbsfähigen Alter, die gleichzeitig arbeitslos ist (d. h. während einer Berichtswoche nicht einmal eine Stunde gearbeitet hat), innerhalb der kommenden 15 Tagen eine Arbeitsstelle annehmen kann, und im Vormonat aktiv nach Arbeit gesucht hat. Demzufolge bleiben viele Arbeitslose außerhalb des offiziellen statistischen Radars, weil sie diese sehr strengen Kriterien nicht erfüllen.

Zur Ergänzung dieser Arbeitslosenquote schlagen wir daher vor, die Nicht-Beschäftigungsquote zu verwenden. Dieser Indikator, der auf der Grundlage der vierteljährlichen Daten der Arbeitskräfteerhebung von Eurostat berechnet wird, gibt Aufschluss darüber, wie viele Personen in einer bestimmten Altersgruppe insgesamt nicht erwerbstätig sind. Dazu gehören sowohl die Arbeitslosen im engeren Sinne, als auch alle sogenannten „inaktiven“ Personen, weil sie keine Arbeit suchen.

Die klassische Arbeitslosenquote wird in Bezug auf die sogenannte „aktive“ Bevölkerung (Erwerbstätige oder Arbeitssuchende) im Alter von 15 bis 65 Jahren berechnet. Allerdings haben wir nicht dieselbe Altersgruppe für die Berechnung der Nicht-Erwerbstätigenquote verwendet: Diese haben wir nur für die Bevölkerung im Alter von 25 bis 59 Jahren berechnet. Das für den Ruhestand als akzeptabel erachtete Mindestalter ist in den verschiedenen Ländern der Union zwar äußerst umstritten, doch gibt es fast überall gute Gründe dafür, einen erheblichen Teil der über 60-Jährigen als nicht mehr erwerbstätig zu betrachten. Insbesondere wegen der körperlich anstrengenden Arbeiten, die sie zuvor erledigt haben, oder weil sie sehr früh mit der Arbeit begonnen haben.

Ebenso ist es vor dem 25. Lebensjahr in allen Ländern sinnvoll, einen erheblichen Teil der jungen Menschen als nicht erwerbstätig zu zählen, da sie sich in der Grundausbildung befinden. Auch wenn es natürlich unerlässlich wäre, dass diejenigen, die unter 25 Jahre alt sind, und einen Arbeitsplatz suchen, diesen auch leichter finden, als das heute in vielen Mitgliedstaaten der Union der Fall ist.

Das Ziel, über das man sich in unseren Gesellschaften eigentlich einig sein sollte, ist folgendes: Unsere Volkswirtschaften sollten in der Lage sein, allen Personen im Alter zwischen 25 und 60 Jahren einen Arbeitsplatz zu bieten, schließlich bilden sie überall den Kern der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, uns bei der Berechnung des Nicht-Beschäftigungsindex auf diese Altersgruppe zu konzentrieren. Dieser gibt einen besseren Überblick als die Arbeitslosenquote der 15- bis 65-Jährigen, d. h. des Arbeitskräftepotenzials, das von den Volkswirtschaften der verschiedenen Länder nicht genutzt wird.

Ferner gibt es für die verschiedenen Arbeitsplätze sehr unterschiedliche Arbeitszeiten, was insbesondere auf die sehr unterschiedlichen Anteile und Laufzeiten der Teilzeitarbeit zurückzuführen ist, die von Land zu Land stark variieren. Dies macht einen Vergleich der Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze allein schwierig und manchmal sogar irreführend. Darüber hinaus ist Teilzeitarbeit, von der überall überwiegend Frauen betroffen sind, im Allgemeinen ein bevorzugter Vektor für Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt, sowie die Entwicklung von Arbeitsarmut. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, die Brutto-Nichtbeschäftigungsquote zu korrigieren, die man erhält, indem man die Arbeitslosen abrechnet. Dazu haben wir das anteilige Verhältnis der Teilzeitarbeit an der Vollzeitarbeitszeit in jedem der Länder berücksichtigt.

Betrachtet man die Entwicklung dieses Indikators seit Anfang der 2000er Jahre, so überrascht es nicht, dass er bis 2008 sowohl in der EU als auch in der Eurozone deutlich von 34 Prozent auf 30 Prozent gesunken ist. Mit der Krise von 2008, und jener des Euroraums, stieg er dann bis 2015 wieder an, ohne jedoch auf das Niveau der frühen 2000er Jahre zurückzukehren. Seitdem geht er wieder zurück. Allerdings ist die Kluft zwischen der Eurozone und der Union immer größer geworden: In der ersten hat er das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht, in der zweiten ist er inzwischen niedriger.

Vergleicht man die Entwicklung der Brutto-Nichtbeschäftigungsquoten (ohne Teilzeitbeschäftigung) oder der Vollzeitäquivalente (teilzeitbereinigt), so stellt man fest, dass die zweite Quote erwartungsgemäß um sechs bis sieben Prozentpunkte höher ist als die erste. Unterdessen ist der Abstand zwischen den beiden Kurven in der Union nahezu stabil, nimmt in der Eurozone allerdings aufgrund der zunehmenden Nutzung von Teilzeitarbeitsplätzen in den Euro-Ländern deutlich zu.

Vergleicht man diesmal die Vollzeitäquivalent-Nichtbeschäftigungsquote mit der klassischen Arbeitslosenquote, so stellt man fest, dass die Kurvenverläufe natürlich ähnlich, aber die Niveaus sehr unterschiedlich sind: Während die Arbeitslosenquote bei etwa 10 Prozent liegt, liegt die Vollzeitäquivalent-Nichtbeschäftigungsquote bei über 30 Prozent. Sowohl in der EU als auch im Euroraum ist jeder Dritte im Alter von 25 bis 59 Jahren nicht erwerbstätig, wenn Teilzeitarbeitsplätze nur anteilig zu ihrer Dauer berücksichtigt werden. Allerdings hat sich der Abstand zwischen der Nichtbeschäftigungsquote und der Arbeitslosenquote seit Anfang des Jahres 2000 tendenziell etwas verringert: In der Union ist er von 25 Prozentpunkten auf 21 und in der Eurozone von 24 auf 22 gefallen. Ein Effekt des Anstiegs der Erwerbs- und Beschäftigungsquote von Frauen.

Gerade wenn wir diese Quote der Nichtbeschäftigung in Vollzeitäquivalenten nach der Art der Person untersuchen, erhalten wir Ergebnisse, die sich stark von der herkömmlichen Arbeitslosenquote unterscheiden. Die Nichtbeschäftigungsquote für Frauen im Alter zwischen 25 und 60 Jahren liegt in der EU weiterhin bei 38,2 Prozent, in der Eurozone bei 40,8 Prozent, und ist damit doppelt so hoch wie bei Männern. Dieser Abstand hat sich jedoch seit Anfang der 2000er Jahre deutlich verringert: Die Nichtbeschäftigungsquote der Frauen ist um acht Prozentpunkte gesunken. Diese Quote hatte sich während der Krise zwischen 2009 und 2015 stabilisiert, ist seitdem aber wieder zurückgegangen.

Bei den Männern ist die Situation in der Union und im Euroraum jedoch sehr unterschiedlich. In der gesamten Union liegt die Nichtbeschäftigungsquote für Männer im Alter zwischen 25 und 59 Jahren bei 19 Prozent und ist damit doppelt so hoch wie die Arbeitslosenquote. Dennoch hat sie das Vorkrisenniveau fast wieder erreicht. Dies gilt dagegen keineswegs für die Situation im Euro-Währungsraum: Mit 20,5 Prozent liegt sie dort um mehr als drei Punkte über dem Niveau von 2008. Was die Nichtbeschäftigung betrifft, so sind es vor allem Männer, die Opfer der Krise geworden sind. Und diese ist noch längst nicht vorbei. 

Bisher haben wir uns für die Nichtbeschäftigung auf der Ebene der EU oder der Eurozone interessiert. Wenn wir diesen Indikator aber von Land zu Land betrachten, offenbaren sich uns äußerst kontrastreiche Situationen. Das Land der Union, in dem die Nichtbeschäftigung derzeit am geringsten ist, ist die Tschechische Republik, wo die Quote „nur“ 16 Prozent beträgt. An der Spitze des Rankings stehen demgegenüber fast alle Länder Mittel- und Osteuropas sowie die vier nordischen Länder. Zu beachten ist die ganz besondere Situation Portugals als dem einzigen Land in Südeuropa, das an der Spitze steht. Auf der anderen Seite ist wenig überraschend, dass Griechenland, Italien und Spanien am Ende der Liste stehen. Dort finden sich auch – was weniger zu erwarten war – Irland und die Niederlande.

Dies ist insbesondere auf die Häufigkeit der Teilzeitarbeit in diesen Ländern zurückzuführen. Das erklärt insbesondere in den Niederlanden den 17 Prozentpunkte betragenden Abstand zwischen der Brutto-Nichtbeschäftigungsquote und dem Vollzeitäquivalent. Auch in Österreich, der Schweiz und Deutschland beträgt dieser mehr als zehn Prozentpunkte. Aufgrund der relativ geringen Häufigkeit und der verhältnismäßig langen Dauer der Teilzeitarbeit ist die Quote der Nichtbeschäftigung in Vollzeitäquivalenten in Frankreich also niedriger als im Vereinigten Königreich oder in Deutschland. Genau das steht beispielsweise im Gegensatz zu dem, was man angesichts der Arbeitslosenquoten allein vermuten könnte.

Wie jeder Index hat auch diese Vollzeitäquivalent-Nichtbeschäftigungsquote natürlich ihre Grenzen und Schwachstellen. Dennoch stellt sie eine nützliche und in mancher Hinsicht solidere Ergänzung der Arbeitslosenquote dar, zumal diese meist als einziger Anhaltspunkt für die Beurteilung der Lage und der Entwicklung der Arbeitsmärkte verwendet wird.

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