Lea Melandri: „Häusliche Gewalt entsteht unter dem Deckmantel der Liebe”

„Das Persönliche ist politisch” – #MeToo und feministische Bewegungen auf der ganzen Welt haben diesen historischen Slogan des Feminismus wieder in den Mittelpunkt der Debatte gerückt. Zurecht. Denn es ist unmöglich, über Frauenmorde und Patriarchat zu sprechen, ohne die strukturelle Beziehung zwischen Liebe und Gewalt zu berücksichtigen, meint Lea Melandri.

Published On: März 13th, 2024
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©Wikipedia

Lea Melandri (1941) ist Essayistin, Schriftstellerin und Journalistin. Sie ist eine der wichtigsten Vertreterinnen des italienischen Feminismus. Ihr neuestes Buch trägt den Titel Love and Violence: The Vexatious Factors of Civilization (Albany: State University of New York Press, 2019). Weitere Werke finden Sie in Leas Archiv.

Die Dominanz der Männer ist anders als andere Formen der Macht. Was macht sie so besonders? 

Lea Melandri: Von allen Herrschaftsformen der Geschichte ist die männliche insofern etwas ganz Besonderes, als sie die intimsten Bereiche wie Sexualität, Mutterschaft und Familienbeziehungen betrifft. Männer sind Kinder von Frauen und damit zunächst Teil eines weiblichen Körpers, der sie im Moment ihrer größten Abhängigkeit und Hilflosigkeit hervorgebracht hat. Es ist der Körper, dem sie in den ersten Lebensjahren ausgeliefert sind, der sie versorgen oder verlassen kann, den sie also zunächst als mächtig erleben, ein Körper, dem sie in ihrem erwachsenen Liebesleben in einer umgekehrten Machtposition begegnen werden. Indem er die Frau in die Mutterrolle zwingt, ist auch der Mann gezwungen, seine Männlichkeit als permanent bedroht darzustellen und unentbehrliche Bindungen einzugehen, auch wenn sie eigentlich nicht notwendig sind.

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